Redesign der Buchungsstrecke auf bahn.de

Mut zur Vereinfachung

Drei Millionen Menschen nutzen täglich die bahn.de, mit sehr diversen und sehr zielgerichteten Aufgaben. Mit ihrer Zeit und ihren Nerven gilt es respektvoll umzugehen. 2014 ähnelte die User Experience der Seite allerdings der eines Basars. Wer im Konzern etwas zu verkaufen hatte, versuchte mit blinkenden Angeboten in Sichtweite der Verbindungssuche zu kommen – dem Kerndienst der Seite. Die zweitgrößte deutsche eCommerce-Plattform musste also im laufenden Betrieb radikal vereinfacht werden.

Handlungsbedarf bestand auch deshalb, weil neue Konkurrenz auf den Markt drängte. Nach günstigen Inlandsflügen boten auch Fernbusse preislich überlegene, weil nicht kostendeckende, Angebote mit einfacherer Online-Buchung. Denn wer nur von A nach B fliegt oder fährt, muss weniger erklären als der Anbieter eines dichten Netzes von Verbindungen, in dem schon der Weg von A nach B auf vier verschiedenen Routen sinnvoll sein kann – und Reisende auch zu acht ihre Fahrräder mitnehmen können.

Eine intensive Nutzerbefragung und Auswertung von Trackingdaten lieferten genügend Argumente für eine radikale Vereinfachung: Kundenverhalten schlägt interne Interessen. Der Quickfinder fragt zu Beginn nur das ab, was Reisende bei der Buchung auch wissen. Was die Bahn wissen muss, um ihnen das richtige Ticket zu verkaufen, folgt später.

Vorher / nachher: Die kleinteilige Teaser-Landschaft weicht einer vereinfachten Struktur mit klaren Prioritäten.

Auch in den folgenden Schritten dürfen immer erst Kund:innen ihren Wunsch zu Ende formulieren, bevor die Bahn Zusatzfragen stellt. Aus langen Listen mit Verbindungsübersichten (Konzernsicht) werden klar getrennte, buchbare Produkte (Kundensicht).

Das neue, robuste und griffige Interaktionsdesign verbesserte die Usability von bahn.de auch bei der Nutzung von Tablets, die prompt anstieg. Die Verkaufszahlen gingen nach dem Relaunch der Buchungsstrecke in die Höhe – ein Erfolg mit vielen Faktoren, aber eben auch eine verbesserte User Experience.

"Sehr übersichtlich, angenehmer durch Farben, grüne Haken, große Symbole. Es ist deutlicher, insbesondere für Ältere!"

Ein Teilnehmer des Uselabs

Aber es gab auch Rückschläge. So verliefen qualitative Uselabs während der Entwicklungszeit immer zugunsten des neuen UX-Designs, vor allem auf den neuen Endgeräten. Siegessicher wurde kurz vor Einführung gemeinsam mit dem Bahn-Team ein letzter A/B-Test auf dem Livesystem durchgeführt. Das Ergebnis: Schlechte Werte. Die User hatten zwar vorher bestätigt, dass das neue Design besser funktioniert. Aber die fehlende Akzeptanz, tatsächlich im Alltag eine so grundsätzliche Änderung einer häufig genutzten Seite mitzugehen, war sehr überraschend. Die Deutsche Bahn hat mit viel Mut die Seite dann mit wenigen Anpassungen trotzdem live gestellt, und der Erfolg gab ihr am Ende Recht.